Mindful Leadership
Im Januar erschien mein Artikel in der „Neue Osnabrücker Zeitung“ über das Modul „Mindful Leadership“ der Hochschule Osnabrück. In dem Modul geht es um Praktiken aus der Achtsamkeitslehre, die unterstützen können, den Alltag bewusster zu gestalten:
Streben bis zum Burn-out?
Weil Stress krank macht: In Osnabrück ist Achtsamkeit ein Studienfach.
Das Studentenleben ist locker und entspannt? Von wegen! Viele Studierende in Deutschland klagen über hohen Leistungsdruck. Die Hochschule Osnabrück reagiert auf diese Entwicklung und bietet den Kurs „Mindful Leadership“ an. Achtsamkeit als Studienfach – was lernt man da?
Die Pädagogin und Achtsamkeitstrainerin Christiane Leiste hat den Kurs für die Osnabrücker Hochschule gemeinsam mit dem Diplom-Psychologen Dr. Boris Bornemann entwickelt.
„Viele Studierende leiden enorm unter Leistungsdruck, Angstkrankheiten und depressiven Verstimmungen“, sagt Programmleiterin Leiste über den Kurs. „Mit verschiedenen Methoden der Achtsamkeitslehre lernen sie, besser mit Stresssituationen umzugehen.“
Ein ruhiger Umgang mit täglichen Aufgaben.
Dabei geht es – so paradox das auch klingen mag – darum, das, was im Studium eigentlich tagtäglich vermittelt wird, wieder umzukehren. „Hört auf zu streben“, sagt Leiste und appelliert damit an einen ruhigeren und bewussteren Umgang mit den täglichen Aufgaben. Dabei geht es nicht zuletzt um die Gesundheit. Denn Stress ist nicht nur akut unangenehm. Auf Dauer birgt er auch die nicht zu unterschätzende Gefahr chronischer Erkrankungen, von denen der gefürchtete Burn-out nur eine ist.
„Hört auf zu streben“ – für Samira Strakerjahn war das von Anfang an ein wichtiger Impuls. „Dieser Kurs ist wie eine Reise“, sagt die 29-Jährige. Am Anfang kenne man sich gar nicht, doch durch die persönlichen Themen entstünden schnell enge Kontakte. Kontakte, die ihr guttun, wie sie sagt. Den intensiven Austausch schätze die Lehramtsstudierende sehr.
Dabei geht es um alles Mögliche, nicht bloß ums Studium. Ein stressiger Einkauf mit einem kurzen Streitgespräch an der Kasse, etwas, das als Gedankenkarussell noch stundenlang im Kopf bleibt. Sorgen um die Familie, das Klima oder den Frieden auf der Welt – manchmal tut es einfach gut zu reden. Außerdem versorgen die Dozenten ihre Studierenden im Achtsamkeitskurs mit Übungen, die sie gemeinsam in der Hochschule trainieren – und die schließlich zu Hause fortgesetzt werden können.
Einfach mal zuhören
Dazu gehört zum Beispiel der sogenannte Dyadenaustausch. Dabei hört man seinem Gegenüber einfach nur zu – und zwar bewusst, ohne zu reagieren. Kein Nicken, kein Kopfschütteln und auch kein Dazwischenplappern. Klingt komisch? Ist aber eine spannende Erfahrung durch die Studierende wie Samira Strakerjahn eine bewusste und vor allem offene Art der Kommunikation erlernen. So werden Gespräche ruhiger, das Energielevel nimmt ab.
Ganz gleich, ob Dyadenaustausch, bewusstes und angeleitetes Spazieren in der Natur, Meditieren oder das Anlegen eines Dankbarkeits-Tagebuches: Ziel ist es, Tempo rauszunehmen, den Moment bewusst wahrzunehmen und die Anspannung zu senken.
Auch zwischen den Kursterminen stehen die Studierenden in Kontakt. So versteht sich das Angebot der Osnabrücker Hochschule ganz bewusst auch als Plattform der Verbindung zwischen Studierenden verschiedener Fachbereiche.
Pro Semester entscheiden sich 60 Studierende für das Modul „Mindful Leadership“ (übersetzt: „achtsame Führung“), das fächerübergreifend von drei Dozenten an den Standorten Osnabrück und Lingen angeboten wird. „Es geht darum, dass die jungen Menschen wieder eine bessere und stärkere Verbindung zu sich selbst bekommen und die emotionale Kompetenz stärken.“ Denn genau das braucht es für einen stressigen Alltag in der schnelllebigen Welt, berichtet Kursleiterin Christiane Leiste.
Bei schwierigen Situationen – durchatmen um klarer zu denken
Adrian Tumeh war das bewusst, sodass er sich gezielt für den Achtsamkeitskurs entschieden hat.
Nach seinem Vollzeitstudium in Wirtschaftsrecht studiert der 33-Jährige heute berufsbegleitend Taxation, das ist ein Zusatzstudium für den Bereich Steuerrecht. „Für mich war das Ziel, mich besser kennenzulernen und bewusster und ausgeglichener mit verschiedenen Situationen umzugehen.“ Es ist eine wichtige Erkenntnis, die den Osnabrücker Studierenden nun auch außerhalb vom Hörsaal und Bibliothek stärkt: Wir können selbst entscheiden. Es lohnt sich gerade in schwierigen Situationen einen Moment innezuhalten, sich zu beruhigen und dadurch klarer zu denken und zu kommunizieren. Methoden, die ihm dabei helfen, hat Tumeh im Kurs gelernt.
Achtsamkeit im Studium – dieses Thema wird deutschlandweit immer populärer. Eine Besonderheit der Hochschule Osnabrück: Sie schafft seit einigen Jahren eigenständige Stellen für diesen Bereich – eine Vorreiterrolle in der Hochschullandschaft. Wie Christiane Leiste berichtet, wird das Thema an der Hochschule künftig weiter stark positioniert. Es ist nicht bloß ein Hilfsangebot für gestresste Studierende, sondern dient auch der Forschung. So soll die Wirksamkeit des Moduls wissenschaftlich untersucht werden. Auch weitere hochschulübergreifende Arbeiten zum Thema Achtsamkeit sind in Planung.