Kurz innehalten als Energie-Booster
Osnabrücker Expertin erklärt, warum wir viel häufiger Pausen machen sollten
Ein Termin jagt den nächsten, Meetings und bevorstehende Deadlines beherrschen den Berufsalltag. Auf den gut gemeinten Rat „Mach doch mal Pause“, folgt der Satz: „Dafür habe ich leider keine Zeit.“ Die Osnabrücker Expertin Anja Termöllen erklärt, warum sich auch bekennende Workaholics kurze Auszeiten nehmen sollten – und alle anderen sowieso.
Wissenschaftler und Ärzte sind sich einig: Stress kann krank machen. Wird das Berufsleben zum ständigen Marathonlauf, hat das auf Dauer einen negativen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden. Die Folgen können Demotivation, Gereiztheit und Erschöpfung sein.
Mikropausen können unterstützen, und richtig eingesetzt sind sie wahre Energie-Booster. Anja Termöllen ist Coach für Fitness und Achtsamkeit. Seit mehr als 20 Jahren gibt die Osnabrückerin Menschen in Unternehmensworkshops und Einzeltrainings Tipps zu Resilienz und einem bewusst gestalteten Alltag. Dabei nennt sie auch Rezepte, wie Pausen gelingen können – und überzeugt mitunter auch Skeptiker, die glauben, dass Pausen nur etwas für Leistungsschwache sind oder die Angst haben, dass zu viel liegenbleibt, wenn sie nicht konsequent durchziehen.
„Das Menschenleben ist wie Hochleistungssport“, betont Termöllen, „um über den gesamten Tag die Performance und hohe Leistung abzurufen, brauchen wir Pausen“. Denn dabei kommt man zur Ruhe, mental und physisch. Die Muskeln entspannen und die Atmung beruhigt sich.
Kurze Pause schon nach einer Stunde Arbeit
„Wenn wir im Flow sind, macht es Spaß und man denkt, man braucht keine Pause“, sagt die Expertin. Doch alle Menschen haben nur eine begrenzte Zeit, in der sie sich am Stück konzentrieren können. Forschungen haben gezeigt, dass am besten schon nach rund einer Stunde Arbeit eine kurze Pause gemacht werden sollte.
Das lässt sich in der eng getakteten modernen Arbeitswelt natürlich nicht immer umsetzen, in manchen Branchen erscheint es sogar nahezu unmöglich zu sein. Aber Termöllen bleibt dabei: Egal, wie stark man eingebunden ist – man darf sich Pausen gönnen und sollte es sogar. „Wir merken manchmal gar nicht, dass wir die Schultern hochziehen oder die Zähne aufeinanderbeißen“, sagt sie. „Wenn wir zur Ruhe kommen, können wir uns wahrnehmen und locker lassen.“
Sie rät zu Mikropausen. Die sind kurz und unkompliziert. Forschungsergebnisse legen nahe, dass mehrere Ruhephasen von jeweils zwei bis fünf Minuten sehr effektiv sind. Die längere Mittagspause sollte deshalb aber nicht ausfallen, betont sie, und auch nicht durch das Verzehren eines Schokoriegels vor dem Computer ersetzt werden. Die Mikropausen würden zusätzlich gemacht und könnten mit etwas Übung leicht in den Alltag integriert und schließlich zur Gewohnheit werden.
Immer wieder trifft sie auf Menschen, die sich mit dem Pausenmachen schwertun. „Zu Anfang kann man auch mit einer Minute beginnen“, gibt ihnen Anja Termöllen als Tipp mit auf den Weg. Außerdem ist jeder Mensch individuell und ebenso die Pausen. „Für manche ist eine Atemübung das Richtige. Andere brauchen Bewegung. Wichtig ist, etwas zu machen, das nichts mit dem Job zu tun hat.“
Führungskräfte sollten die Pausenkultur vorleben
In ihren Coachings setzt sie sich für eine gelebte Pausenkultur in Unternehmen ein. „Man darf Pausen machen“, unterstreicht Termöllen, und empfiehlt gerade Führungskräften, diese Erkenntnis zu verinnerlichen und auch selbst vorzuleben. Aus ihrer Erfahrung weiß sie, dass es oft anders ist: „Wenn Vorgesetzte von morgens bis abends durcharbeiten, keine Pause machen und nur nebenher essen, überträgt sich das auch auf die Mitarbeiter.“
Box Breathing ist eine Atemtechnik, bei der ein Effekt direkt spürbar ist. In einigen Unternehmen, die Anja Termöllen berät, wird es aktiv vor Meetings eingesetzt. Bevor es um Umsatzzahlen, Marketingstrategien und Finanzpläne geht, wird erst einmal geatmet. Klingt vielleicht für einige befremdlich, der Effekt aber ist groß, versichert die Expertin: „Die Meetings sind effektiver und fokussierter. Sie dauern nicht mehr so lange und der Umgang miteinander ist wertschätzender.“
Die Übung funktioniert dabei so: Einatmen, bis vier zählen – Atmung halten, bis vier zählen – Ausatmen, bis vier zählen – Atmung halten, bis vier zählen. „Vier Durchgänge können schon reichen, und am Anfang kann man auch erst einmal nur bis zwei zählen und sich dann steigern“, ergänzt die Osnabrückerin.
Tipps dieser Art gibt es reichlich. Wichtig ist vor allem, dass alle – angefangen bei den Vorgesetzten – verinnerlichen, dass Pausen benötigt werden, um die volle Leistung abrufen zu können. Wer dazu neigt, sie im Alltag zu vergessen, kann sich auch mit einer Kollegin verabreden, sich „Pause!“ als Termin in den Kalender eintragen oder einen Klebezettel gut sichtbar ins Büro hängen.
In einer Pause auch nicht erreichbar sein
Auch eine ständige Erreichbarkeit kann stressen. „Immer wieder berichten mir Führungskräfte stolz, dass sie für ihre Mitarbeiter immer erreichbar sind“, sagt Termöllen. „Aber genau das ist nicht richtig.“ Denn bei Pausen geht es auch darum, sich abzugrenzen, zumindest einen Moment lang ganz bei sich zu sein.
„Es ist wichtig, das zu finden, was zu einem passt“, betont Anja Termöllen. Dabei führten kleine Schritte zum Ziel. Geduld sei gefragt. „Die Übung sollte über einen Zeitraum von drei Wochen ausprobiert werden und im Idealfall immer zur gleichen Zeit.“ Außerdem empfiehlt die Osnabrücker Expertin, die Empfindungen aufzuschreiben. „Viele denken erst, dass sie keine Zeit haben und merken umso mehr, wie viel ihnen eine Pause bringt.“
Mikropausen helfen also, den Alltag besser zu meistern. Dabei gibt es keine Universalrezepte, es kommt vielmehr auf Individualität an. Wenn man geübt ist, kann man bis zu fünf solcher kurzen Unterbrechungen in den Tagesablauf integrieren: Dankbarkeit praktizieren, aus dem Fenster schauen, die Schultern kreisen oder an einen schönen Augenblick aus dem Urlaub denken – all das und noch viel mehr kann für Mikropausen genutzt werden, nach denen die Arbeit wieder leicht von der Hand geht.